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Fliegerhorst Köthen

Hauptwache des Fliegerhorstes Köthen (Postkarte)

Die Ursprünge des Flugbetriebes in Köthen liegen in den 1920-er Jahren. Ab  1928 existierte auf dem städtischen Industriegelände ein kleiner  Flugplatz mit Graslandebahn. Er wurde durch die flugwissenschaftliche  Arbeitsgruppe der Gewerbehochschule Köthen  (FLUWIAC e.V.) betrieben.

Im Sommer 1936 kaufte die deutsche Luftwaffe das städt. Industriegelände und weitere anschließende Grundstücke von der Stadt Köthen um hier einen neuen Fliegerhorst zu errichten. Dieser befand sich südwestlich hinter der Bahnlinie nach Bernburg und wurde seitlich durch die Straßen nach Baasdorf und Edderitz begrenzt. Der Kaufpreis des 360 Hektar großen Areals soll  450.000,- RM betragen haben.

Die Planungen für das neue Objekt wurden im Januar 1937 abgeschlossen, in der Zeit von Februar bis September 1937 die Rohbauten errichtet und anschließend Richtfest unter Teilnahme von hohen Repräsentanten aus der Luftwaffe sowie Politik einschl. NSDAP gefeiert.

Am 01. Oktober 1937 bezogen die Vorkommandos des am 01. Oktober 1935 in Halle/S. aufgestellten und nach Köthen zu verlegenden Luftnachrichten Lehr- und Versuchsregiments die Unterkünfte. Die Verlegung war am 06. November abgeschlossen und die erste Vereidigung von Soldaten erfolgte auf dem Kasernengelände am 24.11.1937.

Die bauliche Substanz des Fliegerhorstes setzte sich wie folgt zusammen:

  • Kommandantur des Fliegerhorstes;
  • Hauptwache einschl.  Arrestzellen;
  • Unterrichts- und Lehrgebäude;
  • zwei  Unterkunftsgebäude für Mannschaften;
  • Unterkünfte für technisches Personal;
  • Unterkünfte für fliegendes Personal;
  • drei Häuser für Offiziere;
  • mehrere Baracken, Garagenkomplexe und Lager;
  • Telefonvermittlung;
  • Krankenrevier;
  • mehrere Speiseräume und Kantinen;
  • Offizierskasino;
  • Kesselhaus;
  • Öllager;
  • eine Verladerampe am Bahnanschlussgleis;
  • eine Funk- und Signalgeräte-Werkstatt (Reparaturabteilung);
  • vier Flugzeughallen;
  • eine Reparaturhalle;
  • zwei Tankplätze;
  • direkt vor dem Flugfeld die Flugleitung mit Büros;
  • hinter dem Flugfeld das Munitionslager.

Weiterhin befanden sich bis zur endgültigen Fertigstellung des Fliegerhorstes im nördlichen Teil, an der Bahnlinie nach Bernburg, die Bauleitung, Unterkünfte für Zivilarbeiter sowie deren Kantine.

Außerhalb der Kaserne wurden errichtet:

  • in östlicher Richtung der Funkpeiler;
  • auf der Pilsenhöhe (Höhe 111) die Funkstation;
  • in südlicher Richtung, hinter Baasdorf die Fernschreibstelle;
  • in südlicher Richtung, vor der Pilsenhöhe, der Schießstand für Karabiner und Bordwaffen;
  • am südlichen Ende, nahe der Straße nach Edderitz ein Lagerbunker für Flugzeugzubehör.

Nicht bekannt ist, ob und wie die Einrichtungen der flugwissenschaftlichen   Arbeitsgruppe der Gewerbehochschule Köthen auf dem Fliegerhorst  in der Zeit von 1937 bis 1945 genutzt wurden.

Erster Kommandeur des Fliegerhorstes war Oberstleutnant Aschenbrenner. Sein ihm unterstelltes Luftnachrichten-Lehr- und Versuchsregiment gliederte sich in:

  • Kommandantur;
      
     Luftnachrichten-Schul- und Versuchs-Abteilung mit:
     Ln-Funk-Schul- und Versuchskompanie; 
     Ln-Funkpeil- und Horch-Schul- und Versuchskompanie; 
     Ln-Fernsprech- Schul- und Versuchskompanie;

Flugfunker-Schul- und Versuchs- Abteilung;

Nachrichtengerät-Versuchsgruppe.

Nachdem im Sommer 1938 die gesamte Anlage fertiggestellt wurde, konnte mit regulären Flugbetrieb und der Ausbildung in den Profilen:

  • Bord- und Bodenfunker;
  • Peilfunker;
  • Funkmess-Personal

begonnen werden.

Es wurde in Köthen nicht nur Personal in den einzelnen Funkprofilen ausgebildet, hier wurde auch intensiv an der Entwicklung der dafür notwendigen Technik gearbeitet und neue Geräte der deutschen Funkindustrie tiefgründig getestet. Die auf dem Fliegerhorst stationierte Luftwaffen Schul- und Versuchsabteilung beschäftigte sich mit der Neu- und Weiterentwicklung von Funk-, Funkpeil- und Funkmeßanlagen und war 1938 bereits mit dem Funkmessgerät FuMG 80 "Freya" ausgerüstet worden (Funkmeßsysteme dienten und dienen auch heute noch zur Überwachung des Luftraumes, dem Schutz und der Führung der eigenen Kräfte). Die hier tätigen Hochfrequenztechniker tauschten ihren hohen Wissensstand bei  Besuchen von Ingenieuren und Führungskräften der deutschen Funkindustrie (Telefunken, AEG, Siemens etc.) mit diesen regelmäßig aus. In dieser Abteilung wurde z.B. die Ausführung "Freya – Köthen" mit entwickelt und getestet. Durch die zusätzliche Antenne (34,5 – 177 MHz) und einer Impuls-Sendeleistung von 15 kW war sie besonders für die Langstreckenerfassung  bis 160 km konzipiert. Die gesamte Antennenanlage war um 360° schwenkbar. Eine weitere Aufgabe bestand in der Erprobung neuer Funktechnik, der Weiterentwicklung des X-Verfahrens und darin, Kenntnisse über die Leistungsfähigkeit der erbeuteten Geräte zu erlangen.

Die bis 1945 in und um Köthen erprobten funktechnischen Anlagen  waren z.B.:

  • Würzburg "Riese" FuMG-65 (Antennendurchmesser 7,50m) bei Großwülknitz;
  • Würzburg-Gerät "FuMG-3T" ;
  • Freya-Gerät;
  • Freya-Gerät "Köthen" (erweitert mit gestockten YAGI-Antennen);
  • H-Adcock-Peil-Anlage FuPeil A40c (190 – 580 KHz) bei Kleinwülknitz;
  • Langwellen-Adcock-Peilanlage FuPeil A40e bei Kleinwülknitz;
  • Versuchsanlage UKW-Adcock-Peiler (modifizierter Y-Peiler Typ "Heinrich III");
  • u.v.m.

Quelle: Auszug aus einem Prospekt der Firma Telefunken - Luftboden-Peilprogramm 

 Viele dieser Geräte wurden in Köthen mit- und weiterentwickelt sowie getestet.








Nach unbestätigten Aussagen soll das  Bild bei Wülknitz aufgenommen  sein. 
 Es zeigt rechts eine "Freya" und  links ein FuMG 65 "Würzburgriese"

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Freya_(Radar) Bundesarchiv Bild Nr. 141-2732

Erprobt wurden auch im Flugzeug eingebaute Peilgeräte, z.B. der "Spez. 173N=EP1" von Telefunken
mit einem Frequenzbereich 175 – 750 KHz. Der Einsatz erfolgte in Ju 52/3m.

 Ebenfalls   in Köthen entwickelt und ausgerüstet wurde
 die sogenannte "Nachrichten-Ju". Sie war  erkennbar an
 den zwei auf dem Vorderteil der Kabine  angebrachten
 Antennenmasten. Ein weiterer Mast war   über der
 Kabine angebracht. Nach der Entfaltung (im Stand)
 konnte ein abgesetzter   Teleskopmast ausgefahren
 werden. An ihm war die   Hochantenne  befestigt. Somit
 war auch die   Überbrückung größerer Entfernungen
 möglich.   (Quelle: Privatsammlung B. Rothe)

Am 26. August 1938 erfolgte in Köthen die Aufstellung der Luftnachrichten-Abteilung 100 (Ln.Abt.100). Ursprünglich war für die Ln.Abt.100 ein Ausrüstungsstand von 100 Flugzeugen geplant, sie bestand jedoch nur aus zwei Staffeln:

  • 1./Luftnachrichten Abteilung  100, ausgerüstet mit 12 Ju 52/3m;
  • 2./Luftnachrichten Abteilung  100, ausgerüstet mit 6 He 111H.

Der erste Kampfeinsatz erfolgte nur wenige Tage nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Polen.

Die He 111H waren mit X-Geräten ausgerüstet.  Durch die Lorenz AG wurde Anfang der 1930-er Jahre ein Gerät entwickelt, mit dem es möglich war, ohne Sicht zum Flugplatz zu landen. Dazu wurde als Bodenstation ein Funkfeuer mit zwei Richtantennen eingesetzt. Diese strahlten unterschiedliche Signale ab. Befand man sich auf dem linken Richtstrahl, hörte man Morsepunkte, auf dem rechten Strahl Morsestriche. Bei Anflug zwischen den Strahlen kam es zur Überschneidung und es ertönte aus dem Empfänger ein Dauerton. Jetzt brauchte man dem Ton nur noch zu folgen und kam im "Blindflug" auf dem Flugplatz an. Das Lorenz-Verfahren wurde zunächst nur im Zivilen genutzt. Ab 1933 bis 1938 entwickelte man das Verfahren weiter zu einem Bombenabwurfverfahren. Die hier zum Einsatz kommende Technik nannte man X-Gerät. Ausführliche Beschreibungen zu diesem Verfahren findet man hier. Die Ln.Abt.100 war mit diesem Zielfinde- und Markierungsgerät ausgerüstet und setzte es erstmalig bei Kampfhandlungen am 04. September 1939 zur Bombardierung einer militärischen Einrichtung in Palmiry/Polen ein.

X-Verfahren zur Anflugkontrolle bei Blindflug

Bei  richtigem Kurs auf dem Leitstrahl hörte der Pilot einen Dauerton,  wich  er seitlich ab, ertönten je nach Seite Morsepunkte (e) oder   Morsestriche (t)

erweitertes X-Verfahren (Bomben-Ziel-Abwurf-Verfahren)

Funktionsweise: bitte ins Bild klicken


Die Ln.Abt.100 wurde Ende 1941 in I. Kampfgruppe 100 (I.K.Gr.100) umbenannt.

Am Tag der Luftwaffe, dem 01. März 1939, gab es einen feierlichen Höhepunkt für die Einheit und die Stadt Köthen. Nach der Festrede des Regimentskommandeurs, Oberstleutnant Aschenbrenner, marschierte das Regiment, voran die Truppenfahne, durch die Stadt Köthen. Zum Abschluss überflogen mehrere Ju-52 die Stadt. Die Parade fand bei der Köthener Bevölkerung großen Anklang.

Während des Krieges, der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, erfolgte eine Umbenennung des Luftnachrichten-Lehr- und Versuchsregiments in Luftnachrichten-Schul- und Versuchsregiment.

Seine Geschichte endete am 08. Mai 1945.